Schaut auf dieses Land: Georgien!

Bilder von eindrucksvollen Demonstrationen erreichten uns in den vergangenen Tagen aus Georgien. Zehntausende protestierten vor dem georgischen Parlament in Tbilisi gegen das umstrittene „Ausländische-Agenten-Gesetz“ der Regierung – und wurden dafür noch gestern Abend von der Polizei mit Gewalt und Wasserwerfern verfolgt. Das Gesetz sollte NGOs und Medien zwingen, sich bei mehr als zwanzig Prozent ausländischer Finanzierung ihrer Arbeit als sogenannte „Ausländische Agenten“ zu registrieren. Damit sollte die unabhängige Zivilgesellschaft gezielt diskreditiert werden, welche aufgrund fehlender finanzieller Unterstützung aus dem Inland vielfach auf ausländische Mittel angewiesen ist.

Heute nun hat die Regierung in Tbilisi auf den starken Druck der Zivilgesellschaft sowie kritischer Äußerungen der internationalen Öffentlichkeit reagiert und angekündigt, ihren Gesetzesentwurf vorerst zurückzuziehen. Man muss das leider einschränkend sagen: Vorerst.

Die georgische Regierung hatte sich bei dem Gesetzesprojekt Russland zum Vorbild genommen. Dort wurde 2012 ein ähnliches Gesetz verabschiedet, welches sich als effektives Tool zur Zerstörung der kritischen russischen Zivilgesellschaft erwies. Es bildete Grundlagen zur Abschottung der Gesellschaft nach außen und ist sicher eine Ursache für die große Passivität und auch Unterstützung der russischen Bevölkerung im Krieg gegen die Ukraine.

Denn hinter dem Bestreben der georgischen Regierung nach einem solchen „Agenten-Gesetz“ steckt das Bemühen Moskaus, seinen eigenen Einfluss wieder auszubauen. Die kleptokratischen – und geschäftlich zum Teil stark in Russland engagierten Kreise um den Milliardär und Gründer der Regierungspartei „Georgischer Traum“, Bidsina Iwanischwili, kommen dem Kreml hier offenbar bereitwillig entgegen.

Dem Bestreben des Kremls und der Regierung in Tbilisi steht in Georgien eine Gesellschaft gegenüber, die mit breiter Mehrheit den selbst in der georgischen Verfassung verankerten Kurs einer Integration in die Europäische Union und in die Nato unterstützt. Sie problematisiert die noch immer starke wirtschaftliche Abhängigkeit und politische Bedrohung von Russland. Zumal Russland seit dem Krieg 2008 zwanzig Prozent des georgischen Staatsterritoriums durch seine Truppen bzw. separatistische Pseudo-Regierungen besetzt hält. Die prodemokratische Mehrheit erhielt in der aktuellen Auseinandersetzung zudem Unterstützung durch die georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili.

Allgemein zeigen sich Parallelen zur Situation in der Ukraine im Herbst 2013, als der Versuch einer einseitigen Bindung der Ukraine an Russland durch die damalige Kreml-nahekleptokratische Regierung Janukovitsch auf eine aktive Bevölkerung traf, die sich für eine Integration in Europa und gegen Korruption einsetzte, und ihrem Willen in den Massenprotesten des sogenannten Euro-Maidan Ausdruck verlieh.

Die Ankündigung der georgischen Regierung, die nun anstehenden Wahlen zu nutzen, um der Bevölkerung den Nutzen eines scheinbar auf Transparenz zielenden „Agenten-Gesetzes“ zu „erklären“, lassen darauf schließen, dass die Führung des Landes nicht vom eingeschlagenen Kurs abrücken wird. Sie hat sich vielmehr lediglich Zeit erkauft, um eine Zurückdrängung der unabhängigen Zivilgesellschaft in einem zweiten Anlauf durchzusetzen.

Nun ist eine massive Kampagne seitens der Regierungspartei „Georgischer Traum“ zu erwarten, die – ganz im Sinne des Kreml – den Boden für eine langfristige Bindung an Russland bereiten soll. Diese Kampagne wird sich gegen die Überzeugung richten. Es ist daher notwendig, georgische Demokratinnen und Demokraten darin zu unterstützen, eine erfolgreiche Gegenkampagne zu bestreiten. Es geht um die Verteidigung des erklärten Willens der Bürgerinnen und Bürger in Georgien gegen den autoritären Zugriff einer antidemokratischen Clique.

Auch heute Abend will sich die georgische Zivilgesellschaft Tbilisi wieder vor dem Parlament versammeln. Sie schauen ihrer Regierung auf die Finger, denn sie wissen worum es geht. Es geht um die Integration Georgiens in ein gemeinsames, offenes und demokratisches Europa. Schaut auf dieses Land!

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