EU-Ukraine Gipfeltreffen am 3. Februar 2023 in Kiew

Die Plattform CivilMPlus, der Vertreter der ukrainischen Zivilgesellschaft, wir als Austausch e.V. sowie weitere europäische Partner angehören, hat wesentliche Positionen in Hinblick auf das morgen stattfindende EU-Ukraine Gipfeltreffen in Kiew sowie den EU-Beitrittsprozess für die Ukraine zusammengefasst. Nachfolgend veröffentlichen wir das von CivilMPlus veröffentlichte Statement auf Deutsch.

Sekretariat von CivilMPlus zum 24. EU-Ukraine-Gipfel am 3. Februar 2023 in Kiew

Als Vertreter der ukrainischen Zivilgesellschaft und ihrer europäischen Partner, die im Rahmen der internationalen NGO-Plattform CivilMPlus zusammengeschlossen sind, unterstützen wir nachdrücklich den baldigen Beginn des EU-Beitrittsprozesses für die Ukraine und begrüßen den 24. EU-Ukraine-Gipel, welcher am 3. Februar 2023 in Kiew stattfindet.

Der starke Wille der Ukraine zu einer europäischen Integration war ein wichtiger Impuls für die demokratischen Veränderungen und Reformen im Land vor 2014, und noch mehr danach.

Der Widerstand der Ukraine gegen die russische Militäraggression ist ein Kampf um Unabhängigkeit und Souveränität. Die Kämpfenden schützen nicht nur ihre Familien und ihren Staat. Die Ukrainer:innen riskieren ihr Leben für Freiheit und Demokratie. Sie zahlen einen hohen Preis für ihr Steben nach europäischer Integration. Doch sie wollen eines Tages Teil der demokratischen europäischen Familie sein und ein Leben in Frieden und Wohlstand.

Der EU-Beitrittsprozess für die Ukraine und die Aufnahme der entsprechenden Verhandlungen sollten beginnen, sobald Kiew die Empfehlungen der Europäischen Kommission umgesetzt hat und die entsprechenden Reformen positiv bewertet wurden. Der Beginn des Verhandlungsprozesses wird wesentlich zur Widerstandsfähigkeit der ukrainischen Gesellschaft beitragen, sich der russischen Aggression zu erwehren. Die Ukraine braucht eine starke und vielseitige Unterstützung durch die internationalen Partner. Die Lage in der Ukraine sollte im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der EU und der internationalen Behörden, der Zivilgesellschaft und auch der Medien stehen.

Militärische Unterstützung

Wir sind davon überzeugt, dass die Ukraine unbedingt unterstützt werden muss, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen. Das dauerhafte Engagement für die militärische Unterstützung der Ukraine durch die EU und die über die Europäische Friedensfazilität (EPF) bereitgestellte Militärhilfe sind für den Widerstand der Ukraine äußerst wirksam. Die Entscheidung der EU, ihre Gesamtmittel bis 2023 um 2 Milliarden Euro aufzustocken, wird dazu beitragen, das Leben von Soldat:innen und Zivilist:innen in der Ukraine zu retten. Wir sind dankbar für den Beschluss zur Einrichtung der EU-Ausbildungsmission zur Unterstützung der Ukraine (EUMAM Ukraine). Die Ausbildung von 15.000 Angehörigen der ukrainischen Streitkräfte wird den ukrainischen Widerstand stärken und dazu beitragen, die Durchführung militärischer Operationen zu verbessern.

Finanzielle Unterstützung und Sanktionen

Für eine verlässliche Haushaltsplanung benötigt die Ukraine ein langfristiges Programm, das fest zugesagte Hilfen und einen Zeitplan für die Auszahlung der Tranchen umfasst, die die EU der Ukraine entsprechend ihrem Bedarf garantieren kann. Wir begrüßen die Entscheidung der Europäischen Kommission, der Ukraine für das Jahr 2023 18 Milliarden Euro in Form von Darlehen zur Verfügung zu stellen. Eine stabile, regelmäßige und verlässliche finanzielle Unterstützung wird dazu beitragen, einen erheblichen Teil des kurzfristigen Finanzierungsbedarfs der Ukraine zu decken. Wir gehen davon aus, dass dieses Instrument mit Reformen innerhalb der Ukraine einhergehen wird.

Sanktionen gegen Russland sind ein wesentliches Element der internationalen Unterstützung für die Ukraine und der Bemühungen der Welt, die Möglichkeiten des Kremls zur Kriegsführung einzuschränken und ihn schließlich zum Abbruch der Invasion zu zwingen. Es ist wichtig dafür zu sorgen, dass Schlupflöcher geschlossen werden, damit Sanktionen nicht umgangen werden können.

Nukleare und ökologische Sicherheit

Russland hat das größte Atomkraftwerk Europas – das ukrainische AKW Saporischschja – gekapert und nutzt es, um die Angst der Öffentlichkeit vor einer nuklearen Katastrophe zu schüren. Die Verurteilung der russischen Annexion des AKW durch die Europäische Union begrüßen wir. Wir sind der Meinung, dass die Weltgemeinschaft dringend Wege finden muss, die Sicherheit des AKW Saporischschja zu gewährleisten sowie weiterer kritischer Infrastrukturobjekte in der Nähe der Frontlinie, wie Dämme von Wasserkraftwerken. Schäden an diesen Objekten könnten große Umweltkatastrophen zur Folge haben.

Sektorspezifische Reformen

Die EU unterstützt die ukrainische Wirtschaft, die von dem russischen Angriffskrieg schwer getroffen wurde, in erheblichem Maße. Wir erwarten, dass der EU-Beschluss über die Handelsliberalisierung und die Aussetzung der Schutzmaßnahmen gegen ukrainische Waren mindestens bis 2024 verlängert wird. Wir erwarten zudem Fortschritte bei der Einführung des visafreien Handels zwischen der EU und der Ukraine und beim Abschluss eines Abkommens über die Konformitätsbewertung und Anerkennung gewerblicher Produkte (Agreement on Conformity Assessment and Acceptance of Industrial Goods -ACAA). Das ACAA-Abkommen sieht vor, dass der Handel mit Waren in den von ihm erfassten Bereichen zu den gleichen Bedingungen erfolgt wie zwischen den EU-Mitgliedstaaten. Dies würde dazu beitragen, ukrainische Warenexporte nicht nur in die Europäische Union, sondern auch in andere Länder zu steigern. Wir fordern zudem, dass zukünftig auch eine Gleichstellung der Ukraine mit Blick auf die Roaminggebühren in europäischen Mobilfunknetzen erfolgt. Sobald dies geschehen ist, können Reisende aus der Ukraine in der EU sowie EU-Reisende in der Ukraine ohne zusätzliche Gebühren telefonieren, Textnachrichten versenden oder mobile Daten nutzen, wie es bereits jetzt zwischen den EU-Mitgliedstaaten Praxis ist.

Wiederaufbau

Die EU sollte beim Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg eine führende Rolle spielen. Ein solcher Wiederaufbau muss Hand in Hand gehen mit der EU-Integration. Der Erfolg des Wiederaufbaus wird davon abhängen, ob die Ukraine in der Lage ist, in den EU-Markt zu exportieren und ihre Wirtschaft im Einklang mit den ordnungspolitischen und rechtlichen Vorgaben der EU zu modernisieren. Der Wiederaufbau und die wirtschaftliche Erholung erfordern massive Hilfe, die nur dann wirksam eingesetzt werden kann, wenn auch die Reformen in der Ukraine voranschreiten.

Der Wiederaufbaumechanismus sollte eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinschaften beinhalten, die unter dem Krieg gelitten haben. Die Wiederaufbaumaßnahmen sollten zu mindestens 50 % von den örtlichen Unternehmen durchgeführt werden. Es sollte zudem ein transparenter Mechanismus zur Überwachung der Mittel für den Wiederaufbau eingerichtet werden. Es muss ausgeschlossen werden, dass ukrainische Oligarchen den Wiederaufbauprozess nutzen können, um ihr Kapital und ihren Einfluss zu vergrößern. Lokale Eigenverantwortung und die Beteiligung der Bevölkerung stärken die demokratische Entwicklung der Ukraine und sind der Schlüssel um den Wiederaufbau, die Modernisierung und wirtschaftliche Erholung nachhaltig zu gestalten.

Wir drängen darauf, den Wiederaufbau durch einen speziellen Mechanismus zur Koordinierung der Zuweisungen unter starker Beteiligung der ukrainischen Regierung und der Zivilgesellschaft zu implementieren. Die Akteure der Zivilgesellschaft sollten bei der Gestaltung und Umsetzung der Wiederaufbau- und Sanierungsprozesse intensiv konsultiert werden. Die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft sollte den Kern eines auf die Menschen ausgerichteten Konzepts beim Wiederaufbau bilden.

Die eingefrorenen Guthaben der russischen Zentralbank und der mit Sanktionen belegten russischen Einzelpersonen und Unternehmen sollten beschlagnahmt werden und direkt an die Ukraine überwiesen, um den Wiederaufbau mitzufinanzieren. Damit die EU schneller in der Lage ist, eingefrorene Vermögenswerte zu beschlagnahmen und für Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen zu verwenden, muss die Europäische Kommission umgehend Vorschläge unterbreiten, mit denen die Umgehung von Sanktionen in allen EU-Mitgliedstaaten zu einem Straftatbestand wird.

Ein wirtschaftlicher Aufschwung und eine erfolgreiche Regierungsführung in der Ukraine während und nach dem Krieg werden nur möglich sein, wenn die Regierung wirtschaftliche Reformen, die Entoligarchisierung, die Korruptionsbekämpfung und die Dezentralisierung der Entscheidungsfindung vorantreibt. Wir fordern die ukrainische Regierung auf, sich trotz des andauernden Krieges für die Umsetzung der notwendigen Reformen einzusetzen.

Die Rückkehr der Geflüchteten aus den europäischen Ländern in die Ukraine wird die Arbeitskräfte für den Wiederaufbau, die Wiederherstellung des sozialen Gefüges und die weitere friedliche Entwicklung des Landes garantieren. Die Programme, die die Rückkehr der ukrainischen Bürger in die Ukraine fördern, sollten in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ausgearbeitet werden.

Ein separates Element des Wiederaufbauprozesses, das bereits begonnen hat, ist die Wiedereingliederung der von der russischen Besatzung befreiten Gebiete der Ukraine. Es sollte eine Strategie zur Wiedereingliederung dieser Gebiete und zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung in diesen Gebieten entwickelt werden.

Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen

Russlands Aggression gegen die Ukraine ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht und gegen die Prinzipien der OSZE. Wir unterstützen den Beschluss des Europäischen Parlaments, der die Europäische Union auffordert, sich in enger Zusammenarbeit mit der Ukraine und der internationalen Gemeinschaft für die Einrichtung eines internationalen Sondergerichtshofs einzusetzen, um die politische und militärische Führung Russlands und seiner Verbündeten strafrechtlich zu verfolgen. Schließlich fordern wir die europäischen Institutionen auch auf, die Dokumentation der begangenen Kriegsverbrechen zu unterstützen. Neben der Gewährleistung der persönlichen Sicherheit der Ukrainer ist die Wiederherstellung der Gerechtigkeit eine wesentliche Voraussetzung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit in ganz Europa.

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