Europa am Scheideweg: Die Münchener Sicherheitskonferenz 2025, das Ende des transatlantischen Westens und seine Folgen für die Zivilgesellschaf
Von Jacob Riemer, Austausch e.V.
Die Ereignisse rund um die Münchener Sicherheitskonferenz 2025 markieren den tiefsten Bruch in der Europäischen Friedens- und Sicherheitsordnung seit dem Zerfall des „Warschauer Pakts“, als die sowjetische Kontrolle über Mittel- und Osteuropa endete.
Europa steht heute isoliert da. Eingezwängt zwischen einem aggressiv expandierenden Russland und den Vereinigten Staaten, die auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2025 das ideelle und politische Bündnis der Nachkriegszeit de facto aufgekündigt haben.
Doch es gibt bestehende Strukturen, deren Potenziale sich für die Neuordnung der Europäischen Sicherheit nutzbar machen lassen. Neben der bedeutenden Stärkung der EU als geopolitischer Akteur, sowie der europäischen Säule der Nato, stellt die OSZE ein Forum zur Neuorganisation der regionalen Sicherheit dar in ihrem weiteren geographischen Kontext dar. Sie stellt Fragen europäischer Sicherheit in ihren größeren euroatlantischen und eurasischen Rahmen und bringt mit den EU-Staaten, der Ukraine, den USA und Russland alle für die europäische Sicherheit relevanten Akteure zusammen. Das diesjährige 50-jährige Jubiläum der OSZE in geopolitisch herausfordernden Zeiten könnte Gelegenheit bieten, die Organisation wieder zu stärken.
Ferner stellt die OSZE mit ihrem breiten Arbeitsansatz aus militärischer, ökonomischer und humanitärer Sicherheit sicher, dass auch die Zivilgesellschaften an der Organisation und Aufrechterhaltung von Sicherheit beteiligt werden.
Denn eines ist klar: Der transatlantische Westen, wie wir ihn kannten, gehört der Vergangenheit an. Die Regierung Donald Trumps setzt in atemraubendem Tempo Schritte ins Werk, die das offensichtliche Ziel verfolgen, die liberale Ordnung in Europa zu untergraben. Die interessen-, sowie wertegeleitete Allianz Europas mit den Vereinigten Staaten ist auf absehbare Zeit an ihr Ende gelangt. Das US-Engagement für Europas steht nur noch auf tönernen Füßen.
Illiberale Koalitionen gegen uns
Stattdessen positionieren sich die heutigen Vereinigten Staaten als illiberale Großmacht, anschlussfähig an imperiale und autoritäre Staaten wie China und Russland und in politischer Abgrenzung zum liberaldemokratischen Staatenverbund EU. Die Trump-Administration attackiert Europa mit denselben populistischen Narrativen einer vermeintlich fehlenden demokratischen Teilhabe, wie es auch Russland und China in ihrem hybriden Krieg gegen uns einsetzen.
Was nun notwendig ist, ist eine Revolution der Europäischen Sicherheit: Die EU muss binnen Monate zu einem geeinten sicherheitspolitisch geeinten Player wachsen. Denn das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg ist europäische Sicherheit wieder eine im Kern europäische Angelegenheit und muss von den Europäerinnen und Europäern selbst gestaltet, finanziert und organisiert werden.
Und das in den denkbar schwierigsten sicherheitspolitischen Zeiten für Europa seit Jahrzehnten: Der fortgesetzte Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und eine zunehmende innergewerkschaftliche Polarisierung legen eine grundsätzliche Schwäche des demokratischen Europas offen.
Neugestaltung des sicherheitspolitischen Umfeldes
Diese neue Rolle muss einerseits auf Bündelung und den Ausbau militärischer und ökonomischer Machtressourcen in einer europäisierten Nato bauen. Für die Gestaltung des erweiterten sicherheitspolitischen Umfeldes – vor allem mit Blick auf die Herausforderung Russland – ist die Wiederbelebung der OSZE als Verhandlungsforum über Fragen der Europäischen Sicherheit eine wichtige Option.
Damit dies gelingt, müssen die EU-Staaten – und allen voran Deutschland – in bisher präzedenzloser Weise in die eigene Aufrüstung investieren, um im absehbaren Rüstungswettlauf sowie im hybriden Krieg Moskaus gegen die Europäische Union eigene Potenziale der Machtprojektion zu entwickeln, die bisher kaum vorhanden sind.
Dreh und Angelpunkt der Europäischen Sicherheit bleibt die Ukraine
Dreh und Angelpunkt der Europäischen Sicherheit in den 2020er und 2030er-Jahren wird dabei die Ukraine sein. Sie ist seit 2014 und erst recht seit Beginn des umfassenden Angriffskrieges 2022 Aufmarschgebiet Russlands gegen das westliche Werte- und Sicherheitsbündnis in Europa. Eine freie Ukraine bleibt die Lebensversicherung eines freien Europas. Der Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Armee kauft Europa Zeit für die Neuorganisation der eigenen Sicherheit.
Die Stärkung Europas wird mit erheblichen Kosten verbunden sein. Daher ist es notwendig, alle verfügbaren Ressourcen – seien sie politische, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Natur – gezielt in eine Gesamtstrategie der Selbststärkung Europas zielgenau zu investieren – sowohl in Form von weiterem Ausbau der Hard Power wie als auch Soft Power, die sich in diesen Zeiten gegenseitig ergänzen.
Heute wie auch vor 50 Jahren, zur Zeit der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki. geht es für uns europäisch denkende und handelnde Zivilgesellschaft darum, neue Strukturen und Ansätze in der Europäischen Sicherheit zu definieren, die die Sicherheit und Souveränität der Staaten Europas auch im weiteren 21. Jahrhundert sicherstellen. Es geht um alles oder nichts.