Frauen in Belarus eine besonders gefährdete Gruppe
Unser Projekt „FemMoz – Netzwerke und Stärkung für Frauen aus und in Belarus“, finanziert vom Auswärtigen Amt, startete im April 2022. Das Ziel ist es, belarusische feministische Aktivistinnen zu unterstützen, die entweder gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen und ihre Arbeit im Ausland fortzusetzen, oder die trotz Unterdrückung durch das Regime von Machthaber Lukaschenka weiterhin in Belarus aktiv sind. Mehr über unsere Aktivitäten und die Repression gegen Frauen in Belarus gibt es hier.
Seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen in Belarus im Jahr 2020 hat die illegitime Regierung Lukashenka die Zivilgesellschaft im Land systematisch zerstört und politische sowie zivile Aktivistinnen verfolgt. Dies hält viele belarusische Frauen jedoch nicht davon ab, sich weiterhin für eine demokratische und freie Zukunft ihres Landes stark zu machen. Ihre emanzipatorische und gesellschaftspolitische Arbeit setzen sie in Litauen, Polen, Deutschland, der Ukraine und anderen Ländern fort.
Es ist uns wichtig, mit FemMoz weiterhin mit der Zielgruppe zu arbeiten, die in Belarus verbleibt. Zwar sind jegliche Handlungen oder Aktivitäten von NGOs in Belarus verboten und wurden in den letzten drei Jahren massiv verfolgt; die meisten Organisationen können nicht vor Ort agieren. Dennoch gibt es immer Möglichkeiten, auch unter solch herausfordernden Bedingungen, den Aktivismus fortzusetzen. Um dies zu unterstützen bietet unser Projekt zum Beispiel Online-Bildungskurse an, die von Gender- und feministischen Expert:innen gestaltet werden und Menschen aus Belarus die Möglichkeit für Fortbildung und Debatte bieten. Wir haben im Laufe des Jahres auch öffentliche Online-Diskussionen und Seminare zu aktuellen Themen durchgeführt.
Was uns besonders freut, ist die Teilnahme interessierter und engagierter Frauen in unseren Foren, die in diesem Jahr zu Veranstaltungen in Berlin und Vilnius aus Belarus gekommen sind. Sie sind die Zukunft der starken belarusischen Frauenbewegung, die sich 2020 anschickte, das Land zu verändern, bevor sie vom Regime Lukashenka und seinen Moskauer Hintermännern brutal gestoppt wurden. Sie haben auch Verbindungen zu deutschen, litauischen und polnischen feministischen Expert:innen aufgebaut und an strategischen Diskussionen sowie thematischen Workshops teilgenommen. Die feministische Gemeinschaft wächst weiter, selbst in solch schwierigen Umständen für den Aktivismus. Es ist wichtig, sich an einem Ort zu versammeln, aktuelle Themen und Strategien persönlich zu diskutieren. Hierfür bietet FemMoz eine sichere Plattform und ein Set an Arbeitsmöglichkeiten für belarusische Expert:innen und Aktivist:innen im Bereich Feminismus.
Vor der friedlichen Revolution gegen das Regime von Lukaschenka,gab es in Belarus erhebliche Verbesserungen im Bereich der Frauenrechte. Doch jetzt sieht es ganz anders aus: Politische Repressionen gegen das belarusische Volk, Einschüchterung, Erniedrigung oder offene sexualisierte Gewalt in Polizeigewahrsam und in belarusischen Gefängnissen schufen eine Situation, in der selbst grundlegende Menschenrechte massiv verletzt werden. Die Tatsache allein, dass Tausende von Menschen in Belarus aufgrund politischer Gründe strafrechtlich verfolgt werden, deutet bereits auf die Existenz einer besonders gefährdeten Gruppe hin. Deren Rechte und Freiheiten werden nicht nur vernachlässigt, sondern systematisch von sogenannten Autoritäten verletzt.
Im Dezember 2023 gibt es 165 weibliche politische Gefangene im Land. Das Regime in Belarus setzt verschiedene Mittel ein, um den bereits enormen Druck auf diese verwundbare Gruppe von unterdrückten Frauen zu erhöhen: geschlechtsbezogene Demütigung, die Drohung sexualisierter Gewalt, Einschüchterung von Familien, Entzug von persönlichen Hygieneprodukten (der Mangel an Damenbinden ist eine gezielte Form des Mobbings gegen Frauen). Es gibt bekannte Fälle von Prügel gegen weibliche Gefangene, Beschränkungen der Kommunikation und mangelhafte medizinische Versorgung selbst bei schweren Krankheiten.
Das Regime versucht systematisch, die Frauen zu „brechen“, die weiterhin gegen ungerechte Urteile und Haftbedingungen protestieren. So wurde zum Beispiel die Aktivistin Palina Sharenda-Panasiuk (mehr über sie hier) zu einem Jahr Gefängnis zusätzlich zu ihrer Strafe für „bösartigen Ungehorsam gegenüber der Verwaltung der Kolonie“ verurteilt. Sharenda-Panasisuk selbst berichtete, dass sie von anderen Gefangenen auf Anweisung der Kolonieadministration geschlagen wurde. Ihre Rechte als Häfling wurden verletzt indem ihr grundlegende Notwendigkeiten (Matratze und Bettwäsche für das Gefängnisbett) sowie persönliche Gegenstände aufgrund ihrer Rolle als politische Gefangene verweigert wurden. Dies sind keine Einzelfälle, es gibt viele solcher Fälle. Das Regime verletzt ferner eklatant das Anwaltsgeheimnis bis zu dem Punkt, dass es de facto nicht mehr existiert.
Daher verfügen die Belarus:innen nicht über direkte interne Instrumente zum Schutz und zur Unterstützung politischer Gefangener. Daher ist es so wichtig, zum Beispiel Geld zu sammeln, um den Familien politischer Gefangener zu helfen, indem man Pakete mit Lebensmitteln, Kleidung, Medikamenten usw. an Gefängnisse schickt, Rechtskosten übernimmt und die Kinder der Inhaftierten unterstützt.
Es ist auch wichtig, die internationale Gemeinschaft systematisch an die Repressionen in Belarus zu erinnern –Diplomat:innen, Politiker:innen, Medien, Menschenrechtsorganisationen und alle, denen nicht gleichgültig ist, was in Belarus passiert. Und auch für freigelassene politische Gefangene, die sich dafür entschieden haben, Belarus zu verlassen, sind Rehabilitations- und Integrationsprogramme notwendig.
Der Kampf für belarusische politische Gefangene muss fortgesetzt werden, und jede Hilfe zählt. Jede Handlung ist wichtig für die Belarus:innen!