Online-Diskussion „(Un)sichtbare Mütter – politischer Aktivismus, ökonomische Schwierigkeiten, Exil“

Welche Erfahrungen machen Aktivistinnen mit Kindern? Die Teilnehmerinnen berichten über ihre Erfahrungen bei der Migration mit Kindern und der Eingewöhnung in einem neuen Land. Und sie diskutieren, was getan wird und was nicht, um öffentliche Räume und Veranstaltungen für Mütter inklusiv zu gestalten.

Diskussionsteilnehmerinnen:

  • Yulia Vasilyuk – Journalistin, beschäftigt sich mit den Themen Diskriminierung und Geschlechtergleichstellung, Teilnehmerin des USAID Women’s Leadership-Programms, Autorin von 15 Kinderbüchern
  • Maya Tserakulava – Kinderärztin. Medizin-Bloggerin, Kolumnistin für New Hour, Mirrors, Media Loft
  • Victoria Lavrinyuk – Mitglied der KS Femgroup, Doktorandin, beschäftigt sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt und systemischer Diskriminierung von Frauen und schutzbedürftigen Gruppen

Moderation:

  • Lena Ogorelysheva – Soziologin und Fem-Aktivistin

Warum sprechen wir über die Mutterschaft und nicht über Vaterschaft?

Die Diskussionsteilnehmerinnen stellen fest, dass Organisationen wie UNFPA und der UN-Bevölkerungsfonds sich mit engagierter Vaterschaft befassen und zahlreiche Projekte zu diesem Thema durchführen, darunter eine neue Studie zu engagierter Vaterschaft. Die Ergebnisse legen nahe, dass der durchschnittliche Vater nur drei Stunden pro Tag mit seinem Kind verbringt (am Wochenende) und an Wochentagen zwei Stunden pro Tag. Wenn es um Kinder unter zehn Jahren geht, verbringt die durchschnittliche Mutter fünfmal so viel Zeit mit ihrem Kind wie der Vater.

Außerdem ist die Mutter in alle Arten von Aktivitäten mit dem Kind involviert, sei es Erziehung, verschiedene Arten von Arbeiten im Haushalt und andere: Kommunikation, Einbindung des Kindes in verschiedene Kurse, Überprüfung der Hausaufgaben, Konfliktlösung. Wenn der Vater Zeit mit dem Kind verbringt, handelt es sich meist um Spaziergänge und Spiele zu Hause oder im Freien. In der belarussischen Gesellschaft liegt die Hauptlast der Elternschaft zwar zunehmend bei den Vätern, aber dennoch immer noch vor allem bei den Müttern. Daher hielt es das FemMoz-Projekt für wichtig, sich genau darauf zu konzentrieren und darüber zu sprechen, was in der Mutterschaft nicht sichtbar ist. In der Diskussion geht es darum, wie Mutterschaft ein zusätzlicher Vulnerablitätsfaktor ist – auch für belarussische Aktivistinnen (55% von ihnen haben Kinder, wobei mehr als 20% eines haben, etwas mehr als 20% zwei und etwa 9% drei).

Warum schieben belarussische Frauen die Schwangerschaft zunehmend auf?

Die Expertinnen stellen fest, dass das durchschnittliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes 27 Jahre überschritten hat, und dieses Alter allmählich steigt. Viele Frauen in Belarus entscheiden sich dafür, die Mutterschaft zu verschieben, und es gibt viele Gründe dafür.

Eine der Diskussionsteilnehmerinnen stellt fest, dass sie sich entschieden hat, ein Kind zu bekommen, als sie Zeit und einen Sicherheitspuffer hatte, weil das Kindergeld in Belarus nicht ausreicht. Das Geld reicht aus, um die Bedürfnisse des Kindes zu decken, aber das macht die Mutter von ihrem Ehemann oder anderen Verwandten abhängig, die die Familie unterstützen müssen – denn die Mutter, die sich um das Kind kümmert, muss auch versorgt werden. Dies wirft die Frage auf, ob Belarus ein günstiges Land für das Muttersein ist.

Seit 2020 erlebt Belarus nicht nur einen wirtschaftlichen Abschwung, sondern auch eine Verschlechterung der politischen und sozialen Situation. Die Behörden haben die Verfolgung von Aktivist:innen verstärkt, auch durch Manipulation der elterlichen Rechte. Regierungsbeamte dürfen tun, was immer sie wollen. Menschen, die Verfolgung und Verhaftungen gegenüberstehen, hören oft Drohungen, ihr Kind zu verlieren: „Der Staat wird das Kind besser erziehen“, oder „Kannst du überhaupt ein Kind erziehen?“

Eine der Diskussionsteilnehmerinnen hat Erfahrung mit Mutterschaft nicht nur in Belarus, sondern auch in Kasachstan. Sie weist darauf hin, dass Mütter in letzterem eine traditionellere Rolle zugewiesen wird und Familien üblicherweise mehrere Kinder haben. In Belarus sind Frauen emanzipierter, Selbstverwirklichung ist für sie wichtiger und geht über eine Mutterschaft hinaus. Deshalb bringen belarusische Frauen später Kinder zur Welt, weil sie einen Beruf erlangen wollen, sich selbst verwirklichen, Geld sparen und unabhängig von einem Mann sein. Die Expertinnen stellen fest, dass Frauen in dieser Situation mehr Unterstützungseinrichtungen benötigen, die der Staat schaffen sollte. Dies ist ein weltweiter Trend – je entwickelter eine Gesellschaft ist, desto emanzipierter sind die Frauen darin, und je emanzipierter die Frauen sind, desto später und weniger Kinder bekommen sie.

Eine der Expertinnen, die Erfahrung mit Mutterschaft in verschiedenen Ländern hat und Erfahrung in der Erforschung von Geschlecht und Mutterschaft in verschiedenen Ländern hat, stellt fest, dass es kein ideales Land dafür gibt. Statistiken zufolge nehmen nur ein Prozent der Väter in Belarus Elternzeit. Das heißt, Elternzeit wird überwiegend von Frauen genommen. Väter können Elternzeit für zwei Wochen nehmen – nicht anstelle der Mutter, sondern zusätzlich zu ihr – und sie ist unbezahlt. Studien zeigen, dass in traditionellen Familien die gesamte Last von der Frau getragen wird, während in gleichberechtigteren Familien, die zur Mittelschicht und oberen Mittelschicht gehören, Väter stärker eingebunden sind. Ein Beispiel ist der IT-Sektor in Belarus. Ein Teil des UNFPA-Programms in Belarus zielt genau darauf ab, nämlich IT-Mitarbeiter zu Pionieren in engagierter Vaterschaft zu machen.

Die Diskussionsteilnehmerinnen bringen auch das Problem der mentalen Belastung der Elternschaft zur Sprache. Sich mit Kindern zu befassen ist das eine, aber ihre Freizeit und andere Angelegenheiten zu organisieren, ist das andere. Überlegen, wann man Lebensmittel kaufen soll, welche Art von Essen zubereitet wird, wann man einen Arzttermin vereinbaren muss und wann Untersuchungen anstehen, wann man Schreibwaren kaufen soll und wann man etwas anderes tun soll. Dies ist ein wesentlicher Teil, der in den meisten Fällen von Frauen übernommen wird, auch in Belarus.

Die Diskussionsteilnehmerinnen weisen auch auf ein wichtiges Problem hin, das für die Mutterschaft in post-sowjetischen Ländern charakteristisch ist – medizinische Gewalt bei Geburt und Schwangerschaft. Oft werden Frauen als Objekte betrachtet, deren primäre Funktion darin besteht, ein Kind als Pflicht gegenüber dem Staat zu gebären. Und so wird Frauen nicht gefragt, wie sie möchten, dass ihre Entbindung verläuft. Es gibt ein Protokoll, nach dem Ärzte streng handeln, und es kümmert sie nicht, ob dies einer bestimmten Frau passt oder nicht. In Belarus werden psychische Erkrankungen stigmatisiert und nicht darüber gesprochen. Wochenbettdepression ist eine dieser Krankheiten. Es ist schwer abzuschätzen, wie viele nicht diagnostizierte Frauen nach der Geburt eine Depression erleben. Dies liegt daran, dass in Belarus kein System Frauen in solchen Situationen unterstützt und Frauen im Allgemeinen überwacht. Das geistige und körperliche Wohlbefinden von Frauen interessiert niemanden wirklich, da eine Frau gebraucht wird, um „ein Kind zu gebären, um ihre Pflicht gegenüber dem Staat zu erfüllen“.

Mutterschaft mit anderen Aktivitäten vereinbaren

Während der Diskussion sprechen die Expertinnen über die Schwierigkeiten, Mutterschaft mit anderen Aktivitäten zu vereinbaren. Sie diskutieren, wie schwierig oder einfach es in Belarus ist, und ob es einen Unterschied im Vergleich zu anderen Ländern gibt (Mutterschaftsunterstützung, engagierte Elternschaft).

Eine Diskussionsteilnehmerin teilt ihre Erfahrungen aus Litauen und sagt, dass sie kreativer Arbeit nachging, dem Schreiben von Büchern, sie aber zugleich ihr Kind betreute, sodass sie tagsüber arbeiten musste, während ihr Sohn schlief, sowie nachts, zum Nachteil ihrer eigenen Erholung. Es wurde einfacher, als das Kind anfing den Kindergarten zu besuchen. Für belarusische Frauen im Exil ist erwähnenswert, dass in Litauen die Schulpflicht für alle Kinder gilt. Das Kind wird also zu jeder Zeit des Schuljahres und mit jeder Art von Dokumenten (Aufenthaltserlaubnis oder nationales Visum) einen Platz in der Schule zugewiesen bekommen. Bei Kindergärten gibt es jedoch mehr bürokratische Herausforderungen, und die Suche nach verfügbaren Plätzen kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Es kann besonders schwierig sein, wenn eine Familie keine Verwandten hat, die bei der Kinderbetreuung helfen können, oder wenn eine Kinderbetreuung nur für ein paar Stunden auf Anfrage benötigt wird – diese ist schwer zu finden. Es kann für die Mutter eine zusätzliche Belastung bedeuten, wenn das Kind die physische Anwesenheit der Mutter erfordert oder ständige Nähe braucht.

Die Expertinnen stellen fest, dass es in Belarus Schwierigkeiten mit Nachmittagsprogrammen an Schulen gibt – sie schließen oft genau um 18:00 Uhr. In den meisten Fällen endet der Arbeitstag der Eltern jedoch auch zu dieser Zeit, und es gibt keine einfache Lösung dafür, wie sie es schaffen können, ihre Kinder abzuholen. Kleine Kinder können nicht alleine nach Hause gehen, und Eltern haben oft starre, unflexible Zeitpläne. Sie haben häufig nicht die finanzielle Möglichkeit, eine Kinderbetreuung für diesen Zweck einzustellen oder die Großeltern einzubeziehen. Deshalb müssen belarussische Frauen oft flexible Beschäftigungsformen wählen, was ihre Karrieren beeinträchtigen kann, da solche Jobs schlecht bezahlt sind. Daher gibt es in Belarus einen erheblichen Gehaltsunterschied, nicht nur aufgrund von Diskriminierung, sondern auch aufgrund der Wahl solcher Beschäftigungsformen durch Frauen. Frauen wählen sie, weil die Elternschaft hauptsächlich von Frauen getragen wird. Systematische Diskriminierung von Frauen existiert in vielerlei Hinsicht, was sich auch nach dem Ruhestand auf sie auswirkt.

Zur Mutterschaft und politischer Verfolgung

Wie die Statistiken von Menschenrechtsorganisationen in Belarus und verschiedene unabhängige Monitorings zeigen, und viele Menschen bezeugen, die in Belarus Repressionen durchgemacht haben, ist Elternschaft – und insbesondere Mutterschaft – eine zusätzliche Vulnerablität und wird vom Regime gezielt genutzt, um Menschen einzuschüchtern.

In Belarus gibt es den Präsidentenerlass Nr. 14 „Über eine sozial gefährliche Situation“ (über vulnerable Familien), der vorsieht, dass einer Familie der Status „sozial gefährlich für ein Kind“ zugeteilt werden kann. Es kann eine Kommission einberufen werden, die dann zu einer bestimmten Familie gehen muss und ihr Urteil darüber abgibt, ob dies zutrifft oder nicht. Die Familie kann als „sozial gefährlich“ für Kinder anerkannt werden. Die Expertinnen berichten, dass einige Leute an einem Tag von bis zu drei solchen Kommissionen besucht werden, wobei die erste um 7 Uhr morgens kommt und fragt: „Warum sind Ihre Betten nicht gemacht?“ Dieser Mechanismus wird als repressives Werkzeug vom Regime eingesetzt.

Gleichzeitig gab es viele Fälle, in denen Familien, die eine echte Gefahr für das Kind darstellten, übersehen wurden, weil sie keine Priorität hatten. Die Priorität haben immer Familien, die aus politischen Gründen vom Staat verfolgt werden.

Ein weiteres großes Problem ist, wie die Expertinnen betonen, dass wenn eine Frau häusliche Gewalt ihres Partners anzeigt, sie unterschreiben muss, dass diese Aussage ihre Familie als „sozial gefährlich“ erklärt. Wenn sie sich nach sechs Monaten nicht vom Täter getrennt hat, werden die Kinder in soziale Einrichtungen gebracht. Dies ist ein erhebliches Problem, denn dies ist einer der Gründe, warum Frauen keine Täter anzeigen. Die Erfahrung zeigt, dass dies der Grund ist, warum belarusische Frauen ihre Aussagen zurückziehen. Viele ziehen es vor, sowohl beim Täter als auch bei ihren Kindern zu bleiben, auch weil Frauen sich in einigen Fällen aus wirtschaftlichen Gründen nicht trennen können.

Wenn einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt befohlen wird, Mitglied der Kommission zur Überprüfung potenziell „sozial gefährlicher“ Familien zu werden, besteht ihre Aufgabe darin, die Gesundheit des Kindes zu bewerten. Sie prüfen, ob Größe, Gewicht und geistige Entwicklung dem Alter entsprechen, und ob das Kind irgendwelche Krankheiten, Mängel, Hautprobleme oder Anzeichen von Krankheiten hat, die mit der unzureichenden Pflege des Kindes zusammenhängen können. Dann unterschreibt die Kinderärztin oder der Kinderarzt einen medizinischen Bericht und sendet ihn an den Sozialhüter, und dies ist das Ende der Verantwortlichkeiten des Arztes. Eine Expertin mit Erfahrung in der Teilnahme an solchen Kommissionen bemerkt jedoch: „Vor 2020 habe ich hauptsächlich dysfunktionale Familien besucht. Aber nach 2020 wurde ich oft angewiesen, absolut wundervolle Menschen zu überprüfen. Mit meinen Kolleginnen und Kollegen haben wir oft diskutiert: „Sind sie wirklich „sozial gefährlich?“ „Nein, einfach politisch.“ Also hatten wir sogar eine Definition, um zu sagen, dass keine Familie „gefährlich“ ist, sondern nur politisch. Aber meine Aufgabe bestand darin, zu überprüfen, dass das Kind gesund und angemessen versorgt wird. Und ich weiß nicht, was danach passiert ist. Es ist eine Tatsache, dass politische Aktivist:innen für „sozial gefährliches“ Verhalten gemeldet werden, damit Kommissionen ihre Häuser besuchen.“

Neben dem Status „sozial gefährlich“ gibt es weitere Druckmittel des Regimes auf Mütter oder Eltern im Allgemeinen in Belarus: zum Beispiel die Angst vor politischer Inhaftierung von Eltern, die Angst vor einer Festnahme durch Strafverfolgungsbehörden, Hausdurchsuchungen und die Tatsache, dass dies Kinder erschrecken wird. Die Propaganda des Regimes in Schulen ist ein weiterer Faktor, der Familien dazu bringt, Belarus zu verlassen.

Kinder sind der Hauptdruckhebel auf Eltern und insbesondere auf Mütter. Sie sind stärker in die Kindererziehung involviert, mit einer großen Anzahl von Müttern, die Kinder alleine erziehen. Und wenn eine Frau eine politische Gefangene wird, wird sie selbst dort weiterhin mit ihren Kindern erpresst – dies ist das, was die Expertinnen in ihren Gesprächen mit Belaruss:innen in Erfahrung brachten. Frauen dürfen in Haft ihre Kinder nicht sehen. Wenn eine Frau nicht das tut, was von ihr erwartet wird – sie zum Beispiel auf nicht schuldig plädiert oder kein Gnadengesuch unterzeichnet – wird sie mit einer Verlängerung ihrer Haftstrafe erpresst. Selbst Mütter, die ihre Babys stillen, werden unter Druck gesetzt, ihnen wird auch keine angemessene medizinische Versorgung in Haft gewährt. All dies erzeugt Druck auf weibliche Aktivistinnen in Belarus.

Kinderfreundliche Umgebung

Ein weiteres von den Diskussionsteilnehmerinnen diskutiertes Thema ist, ob es in Belarus oder in den Exilländern belarussischer Frauen kinderfreundliche Veranstaltungen gibt. Die Expertinnen charakterisieren Belarus als ein Land, das Kinder hasst: „In Belarus werden Kinder gehasst. Sie hören vielleicht einmal im Jahr, dass „eine Mutter heilig ist“ und „wir alle Kinder so sehr lieben“, und „lasst uns den Mütterorden an große Familien verleihen.“ Aber das passiert einmal im Jahr, und den Rest der Zeit merkt man, dass man gehasst wird, und zwar auf staatlicher Ebene. Du begegnest überall Hass, wenn du mit einem Kind unterwegs bist, weil Kinder nicht perfekt sind. Jeder will, dass sie von Geburt an Steuerzahler sind, gut erzogene Kinder, die bereit sind, ihrem Land zu dienen, Steuern zu zahlen und weiterhin mehr Kinder zu bekommen.“ Auch für schwangere Frauen bietet Belarus keinen angenehmen sozialen Rahmen.

Die Expertinnen stellen fest, dass es in Litauen einen positiven Unterschied in der Einstellung zu Kindern gibt. Es gibt Wickelräume in Einkaufszentren, Toiletten haben Kindersitze und Töpfchen, usw.

Eine der Teilnehmerinnen zieht ein Kind mit einer Behinderung auf. Sie betont ihre Mutterschaftserfahrung in Polen: „Von Białystok, wo wir leben, sind es 20 Kilometer nach Belarus, aber der Unterschied ist sehr spürbar. In Polen gibt es Inklusion für Kinder und Erwachsene mit Behinderungen – es gibt viele solche Menschen in der Gesellschaft. Nichts ist hier überraschend – es ist nicht ungewöhnlich, überall auf jemanden mit eingeschränkter Mobilität im Rollstuhl zu stoßen, es gibt Rampen überall. Es gibt auch ein Bewusstsein für Autismus. In Belarus habe ich oft gehört: „Was für ein schlecht erzogenes Kind!“ „Wessen Kind ist das? Beruhigen Sie Ihr Kind.“ Und hier wissen die Leute einfach, dass es Autismus hat. Es ist viel einfacher zu leben, wenn Menschen, die sehen, dass das Kind sich ungewöhnlich verhält oder Aufmerksamkeit durch Lärm oder irgendeine Art von Verhalten erregt, einfach wegschauen und sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Wenn ein Kind mit einer Behinderung Aufmerksamkeit fordert, während Sie versuchen, anderen zu erklären, was los ist, geht Ihnen die Zeit verloren, die Sie Ihrem Kind widmen sollten.“

Die Diskussionsteilnehmerinnen teilen ihre Erfahrungen und stellen fest, dass Belarus keine kindgerechte Politik hat. Es gibt viele Betätigungsmöglichkeiten für Kinder, aber Mütter sind dabei ein Anhängsel des Kindes. Die Expertinnen schlagen vor solche Räume zu schaffen, in die Mütter mit ihren Kindern kommen können, um ihre Probleme zu besprechen oder sich mit ihren eigenen Angelegenheiten befassen können, während die Kinder beaufsichtigt werden oder zumindest in der Nähe sind.

Die demokratische Fem-Gruppe und die belarusische Frauen-Community haben eingestanden, dass es für Aktivistinnen-Mütter wenig „Raum“ gibt, sie fehlen in der Sichtbarkeit.

Die meisten Aktivistinnen- oder professionellen politischen Veranstaltungen berücksichtigen nicht die Tatsache, dass eine Frau Kinder haben kann und dass etwas mit diesen Kindern unternommen werden muss, damit die Mutter teilnehmen kann. So wird eine große Gruppe von Frauen von sozialen und politischen Aktivitäten ausgeschlossen. Dies ist eine systemische und strukturelle Diskriminierung, denn wenn Frauen von politischer Aktivität ausgeschlossen werden, bleiben alle Probleme, mit denen diese Frauen konfrontiert sind, unsichtbar.

Das gegenwärtige Regime in Belarus fördert traditionelle, patriarchalische Werte. Aber, wie die Expertinnen sagen, sollten die demokratischen Strukturen inklusive Aspekte in ihre Programme und Projekte aufnehmen.

Damit eine Aktivistin-Mutter die gleichen Möglichkeiten wie andere Aktivistinnen hat, braucht sie Unterstützung mit ihren Kindern. Aber diese Hilfe wird als ein „Extra“, etwas Zusätzliches wahrgenommen. Die Teilnehmerinnen der Diskussion halten es für wichtig, sich für dieses Thema einzusetzen.

„Wir haben viele Male mit der Fem-Gruppe und der Frauen-Community im Allgemeinen diskutiert, warum weibliche Expertinnen bei vielen Veranstaltungen abwesend sind. Das liegt daran, dass sie in letzter Minute zu vielen Veranstaltungen eingeladen werden. Last Minute bedeutet, dass du deine Reise nicht im Voraus planen und kein billigeres Ticket kaufen oder deine Verantwortlichkeiten delegieren kannst, einschließlich derjenigen, die mit mütterlichen Pflichten verbunden sind“, bemerken die Diskussionsteilnehmerinnen.

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