Monitoring Belarus Oktober 2022
Zum vierten Mal innerhalb eines Jahres wurde Natalya Dulina, eine ehemalige Assistenzprofessorin der Staatlichen Linguistischen Universität Moskau, festgenommen. Sie wurde von mindestens sechs Sicherheitsbeamten in voller Uniform festgehalten. Sie war zuvor schon einmal 24 Stunden lang festgenommen worden. Nun jetzt wird sie strafrechtlich verfolgt.
Gegen die belarussische Sängerin Meryem Herasimenko wurde ein Strafverfahren eingeleitet, weil sie öffentlich ein Lied in ukrainischer Sprache vorgetragen hatte.
Olga Romantsova wurde festgenommen, weil sie in Chat-Gruppen aus dem Hinterhof angemeldet war und dort vor einem Jahr Kommentare hinterlassen hatte. An der Verhaftung wirkten acht Gesetzeshüter mit.
Diana Kishkorenko wurde wegen ihrer Teilnahme am „Marsch zur Befreiung der politischen Gefangenen“ im Herbst 2020 zu drei Jahren Freiheitsentzug mit Einweisung in eine offene Strafvollzugsanstalt verurteilt.
Darja Lytschkowskaja wurde wegen eines Tik-Tok-Videos und der Teilnahme an Protesten zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt.
Anastasia Savulyak wurde wegen „Beleidigung des Präsidenten von Belarus“ zu anderthalb Jahren Kolonie verurteilt.
Ksenia Kotova wurde wegen der Tätowierung „ACAB“ („all cops are bastards“) inhaftiert.
Die Menschenrechtsaktivistin Nasta Loika wurde nach 30 Tagen Haft entlassen. Der Status einer Verdächtigen in einem Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Menschenrechtszentrum „Viasna“ wurde aufgehoben. Sie wurde aber bereits am 28. Oktober erneut verhaftet und zuletzt zu 15 Tagen Haft verurteilt.
Im Oktober wurden fast alle privaten Schulen in Belarus geschlossen. Die Kinder wurden auf die öffentlichen Schulen verteilt.
Die Liste der politischen Gefangenen in Belarus wird immer länger. Im Oktober wurden durch das Menschenrechtszentrum „Viasna“ folgende Frauen als politische Gefangene anerkannt: Maryna Sankevich, Yana Pinchuk, Meriem Herasimenka, Natallia Dulina, Oksana Mankevich, Yatsiana Bibilnikava, Liudmila Obrazovskaya, Volha Kavaliova, Anastasia Savulyak, Zhanna Cherniavskaya, Valeria Chernomortseva, Daria Lychkouskaya und Snezhana Inanets.
Derzeit sind 1.390 Personen als politische Gefangene anerkannt, darunter 201 Frauen. Dies sind nur die offiziell so eingestuften Fälle. Nicht jeder, der aus politischen Gründen verurteilt wurde, wird als solcher anerkannt – aus einer Reihe von Gründen. In Wirklichkeit ist die Zahl der aus politischen Gründen Inhaftierten viel höher.
Im „Fall BelaPAN“ (vgl. oben) wurden die folgenden Personen verurteilt: Iryna Zalobina – 9 Jahre Gefängnis, Iryna Levshyna – 4 Jahre Gefängnis. BelaPAN ist die älteste unabhängige Nachrichtenagentur in Belarus.
Die Journalistin Snezhana Inanets wurde zusammen mit ihrem Mann verhaftet. Zuvor schrieb sie für TUT.by, jetzt für Onliner.
Die politische Gefangene Alena Latushka wurde zu zweieinhalb Jahren Hausarrest verurteilt.
Die Situation in Bezug auf häusliche Gewalt in Belarus bleibt kritisch. Ein weiteres Beispiel: In Baranavichy erschlug ein Mann erschlug seine Mitbewohnerin mit einem Hammer. Sie hatte sich mehrmals an die Polizei gewandt, aber bei der Polizei gilt nach wie vor das Prinzip: „Melden Sie den Fall, wenn sie tot ist“.
Die politische Gefangene Yulia Marchenko, Musikerin der Band IRDORATH, wurde freigelassen. Ein weiteres Bandmitglied, Nadezhda Kalach, bleibt hinter Gittern.
Im Oktober wurden die ehemaligen Journalistinnen von TUT.by Olga Loika und Elena Tolkachova sowie die politische Gefangene Inna Mozhchenko in die „Terroristenliste“ des KGB aufgenommen. Insgesamt stehen 928 Namen auf der Liste, 183 davon sind Belaruss:innen.
Es wurde ein Urteil im „Fall Autukhovich“ gefällt. Die Angeklagten erhielten Haftstrafen zwischen zweieinhalb und 20 Jahren, darunter in einer Strafkolonie: Olga Mayorova – 20 Jahre, Halina Derbysh – 18 Jahre, Liubou Rezanovich – 15 Jahre, Iryna Melkher – 17 Jahre, Iryna Goryachkina – 6 Jahre und 1 Monat.
Die Anwältin Janina Yurhylevich wurde vor dem Prozess im „Fall Autukhovich“ festgenommen. Sie verteidigte einen der Angeklagten in der Verhandlung.
Gegen die politische Gefangene Polina Sharenda-Panasiuk wurde ein weiterer Strafantrag gestellt, diesmal wegen „böswilligen Ungehorsams gegenüber den Forderungen der Verwaltung der Strafvollzugsanstalt“. Zuvor war sie wegen „Gewalt gegen Polizisten und Beleidigung“ sowie wegen „Beleidigung des Präsidenten von Belarus“ zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Später wurde ihr unter demselben Artikel ein weiteres Jahr auferlegt.
Daria Losik wurde am 18. Oktober inhaftiert. Ihr Ehemann ist der aus politischen Gründen inhaftierte Blogger Igor Losik. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung befand sich ihre 4-jährige Tochter Paulina mit ihr in der Wohnung. Später konnten Darias Eltern das Mädchen zu sich nach Hause holen.
Valeria Chernomortseva, Aktivistin und Forscherin, wurde festgenommen und zu 10 Tagen Haft verurteilt. Später wurde sie wegen ihrer Teilnahme an den Protesten 2020 angeklagt.
Die Datscha von Nina Baginskaja wurde wegen ausstehender Geldstrafen versteigert. Im April wurde Baginskaja zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie am Tag der Freiheit mit einer weiß-rot-weißen Fahne durch das Zentrum von Minsk gegangen war. Sie hat die Geldstrafe nicht bezahlt.