Monitoring Belarus Juni 2022

Die Tschechische Republik hat beschlossen, bis Ende 2023 keine Visa und befristeten Aufenthaltsgenehmigungen für Belaruss:innen mehr auszustellen.  

Die Abschlussfeiern der 9. und 11. Klassen in Belarus fanden unter der Kontrolle von Ordnungskräften und schnellen Eingreiftruppen statt.  

In den Gefängnissen von Minsk und Zhodzina wurden die sogenannten „Vitamintransfers“ verboten. Zuvor konnte man Gemüse und Obst mit einem Gewicht von bis zu 10 kg abgeben.   

In Minsk wurde das Kulturzentrum „Korpus“ geschlossen, in dem zahlreiche alternative Projekte, Veranstaltungen und soziale Aktivitäten stattfanden.  

Die belarussische Menschenrechtsaktivistin Anisiya Kazliuk gilt laut Forbes als eine der dreißig vielversprechendsten Personen in Europa unter 30 Jahren in der Kategorie Recht und Politik. Nach den Ereignissen von 2020 war sie gezwungen, in die Ukraine zu fliehen. Als der Krieg ausbrach, beschloss sie, dort zu bleiben und sich freiwillig zu engagieren. Im Juni nahm die Kiewer Polizei Anisiya Kazliuk fest, weil sie sich illegal im Land aufhielt, obwohl der Migrationsdienst seit Ende Februar nicht mehr tätig war und keine Dokumente zur Verlängerung ihrer befristeten Aufenthaltsgenehmigung akzeptiert hatte. Ihr drohte eine Geldstrafe und die Abschiebung. Mit Hilfe aktiver belarussischer Frauen und des Büros von Sviatlana Tsikhanouskaya erhielt Anisiya Kazliuk schließlich Dokumente zur Legalisierung in der Ukraine.  

Die Belarussinnen und ihre Initiative „Support UA Women“ helfen weiterhin bei der Beschaffung von medizinischem Material für Opfer sexualisierter Kriegsgewalt in der Ukraine.   

Swetlana Alexijewitsch erhielt den tschechischen Jiří-Teyner-Literaturpreis und widmete ihre Auszeichnung ukrainischen Schriftsteller:innen und Autor:innen.  

Palina Shynkevich wurde als Teilnehmerin an friedlichen Protesten im Jahr 2020 festgenommen. Sie wurde nun zu 13 Tagen Haft verurteilt und konnte infolgedessen ihre Abschlussprüfung an der Hochschule nicht ablegen.  

Es wurde bekannt, dass die politische Gefangene Volha Rytus aus Minsk während ihrer Zeugenaussage geschlagen und mit Wasser übergossen wurde. Sie verbrachte eine Woche im Gefängnis Akrestsina in Minsk ohne Matratze, Kissen, Dusche, Spaziergänge und in schrecklicher Kälte.  

Die Anwältin Anastasiya Lazarenka wurde in ihrer Wohnung festgehalten – Sicherheitsbeamte waren mit Sturmgewehren und kugelsicheren Westen durch zerbrochene Fenster und eine Tür hineingeklettert. Sie wird verdächtigt, Strafverfolgungsdaten an als „extremistisch“ eingestufte Telegram-Kanäle weitergegeben zu haben.  

Die Journalistin Tsina Palynskaya wurde wegen eines Facebook-Posts, den sie bereits gelöscht hatte, und gelber und blauer Bänder an ihrer Tasche zu einer Geldstrafe von fast 1.200 Euro verurteilt.  

Der Prozess im „Fall BelaPAN ” (BelaPAN Media: unabhängige Nachrichtenagentur) hat begonnen. Der Chefredakteurin und Direktorin der Agentur, Iryna Leushyna, drohen bis zu sieben Jahre Haft.  

Aksana Kolb, Chefredakteurin der Zeitung Novy Chas, wurde wegen ihrer Teilnahme an der friedlichen Demonstration vom 16. September 2020 zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt.  

Die Aktivistin Alena Gnauk aus der Kleinstadt Pruzhany wurde wegen ihrer Beiträge auf Facebook zu dreieinhalb Jahren in einer Strafkolonie verurteilt. Sie wurde seit 2020 17 Mal wegen Ordnungswidrigkeiten festgenommen, verhaftet und mit Geldstrafen belegt.   

Liudmila Ramanovich wurde wegen „Beleidigung des Präsidenten der Republik Belarus“ zu anderthalb Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Der Grund dafür war ein Brief, den sie an die Strafverfolgungsbehörden von Belarus geschickt hatte und in dem sie das Wort „Usurpator“ verwendet hatte. 

Gegen die Leiterin des Kinderhospizes in Hrodna, Volha Vialichka, wurde ein weiteres Strafverfahren wegen „Organisation einer aufgelösten öffentlichen Organisation” eingeleitet. Zuvor hatten die belarussischen Behörden ein Strafverfahren gegen sie wegen Steuerhinterziehung und Teilnahme an den Protesten im Jahr 2020 eingeleitet. Volha Vialichka befindet sich nicht in Belarus.  

Hanna Vasilyeva, wohnhaft in Rechytsa, wurde wegen „Organisation und Durchführung von Aktionen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen“ zu zwei Jahren Hausarrest verurteilt. Am 9. August 2020 hatte sie „den Polizeiverkehr mit einem Kinderwagen blockiert”.  

Nach neun Monaten Haft wurde Yana Mileuskaya freigelassen. Sie wurde verurteilt, weil sie eine rot-grüne Staatsflagge auf einer Straße in Gomel heruntergerissen hatte. Yana verbüßte ihre Strafe in vollem Umfang. 

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